Mythen, Maße, Mona Lisa – Die Schönheit und ihre Geschichte*

Die Philosophen der Antike glaubten an unumstößliche Gesetze der Schönheit. Für sie war Schönheit ein Abglanz des Guten und Edlen, ein himmlisches Gesetz auf der Grundlage mathematischer Symmetrie. Griechische Statuen zeigen uns perfekt geformte Körper und ebenmäßige Gesichter, festgehalten in Marmor und Bronze.

Eine berühmte weibliche Schönheit war und ist Nofretete, die Gemahlin des Pharao Echnaton. Ihre Büste fand der Archäologe Ludwig Borchardt im Dezember 1912 in der ägyptischen Wüste. Noch heute, nach 3000 Jahren, sind wir berührt von ihrem harmonisch geformten, zeitlos schönen Gesicht. Welches Geheimnis wohnt darin?

Die Formel der Schönheit                            

Leonardo da Vinci entdeckte sie in mittelalterlichen Schriften wieder, die Formel der Schönheit. Das Geheimnis der schönen Proportionen in der Natur und in vielen Werken, die der Mensch erschuf, ob genau erdacht und geplant oder spontan kreiert.

Die Formel lautet: 1:1,618. Es ist der „Goldene Schnitt“.

Er fand diese Ordnung überall in seinem Umfeld: In der Spannweite der Flügel eines Vogels im Verhältnis zu seinem Körper, im Aufbau von Pflanzen und ihren Blüten und vor allem in den Proportionen des menschlichen Körpers.

Das Gesicht der Nofretete und die griechischen Statuen entsprechen genau diesen Proportionen. Im Bildnis der Mona Lisa, Anfang des 17. Jahrhunderts gemalt, hat Leonardo selbst diese Formel verewigt.

Überall, wo wir harmonische Anordnungen sehen, ist der „Goldene Schnitt“ die Grundlage. Es ist nicht die Symmetrie der einzelnen Bestandteile, sondern die Ergänzung von zwei ungleichen Teilen zu einem vollendeten, geordneten Ganzen.

Umgeben von göttlicher Proportion

„Proportio divina“, göttliche Proportion, wird dieses Zusammenführen von Symmetrie und Asymmetrie genannt. Dieses Phänomen umgibt uns überall.

Nun messen und rechnen wir nicht nach, wenn uns ein schönes Gesicht oder eine Rosenblüte faszinieren oder wenn wir ein perfektes Bauwerk bestaunen. Wir fühlen die Harmonie, weil sie schon seit Jahrtausenden in der Wahrnehmung der Menschen verankert ist. Das Rechnen überlassen wir den Wissenschaftlern und die kommen zum Beispiel zu diesem Ergebnis:

Anthropologen der Wiener Universität studierten die Hochzeitsbilder von österreichischen Landfrauen. Jene, deren Gesichter der Schönheitsformel am nächsten kamen (also die schönsten unter ihnen) – hatten die meisten Kinder geboren. Also auch hier, wie in der übrigen Natur: Schönheit als Naturkraft für die Erhaltung der Art.

Ist Perfektion also schön?

Wir kennen nun das Geheimnis der Schönheit und wenden es einfach auf alles und jeden an: Schönheits-Chirurgie, Kosmetik und Mode sollten uns doch perfektionieren können? Räume und alle Gegenstände brauchen doch nur nach diesem Prinzip gestaltet zu werden? Schönheit als Summe perfekter Einzelteile?

Das würde uns schnell irritieren und langweilig werden, weil es kalt und leblos wirkt.

Wir suchen auch in der Schönheit nach ein wenig Unregelmäßigkeit. Professor Hröisch  sagt dazu: Wir brauchen das Gefühl, dass die Ordnung des Schönen die Unordnung überwunden hat. Schönheit ist also mehr als die Summe perfekter Einzelteile, sie ist ihr beredtes Zusammenspiel. Ein Gesicht zum Beispiel wirkt ja erst lebendig, wenn es etwas erzählt, wenn es uns neugierig macht.

Bodypainting, Lippenstift und ein Skandal

Unsere Sehnsucht, mehr zu sein als der Körper, der uns gegeben ist, zeigt sich auf vielfältige Weise. Die wundervollen Bilder vom World Bodypainting Festival in Österreich sind eindrucksvolle Beispiele dafür.

Eine Form des Bodypainting ist auch das Betonen der Lippen mit roter Farbe. Schon Nofretete wandte diesen kleinen Kunstgriff an. Im Wandel der Epochen war er mal mehr, mal weniger gebräuchlich.

Trotzdem erregte 1883 auf der Weltausstellung in Amsterdam ein Lippenstift großes Aufsehen. Er galt als frivol und sorgte für Ablehnung. Erst die Schauspielerin Sarah Bernhardt holte in den „Goldenen 20-er Jahren“ den kleinen Helfer heraus aus der Skandal-Ecke und machte ihn salonfähig. Seitdem ist er aus unserem „Trick-Köfferchen“ nicht mehr wegzudenken.

Was sonst noch im Namen der Schönheit geschah und anderes mehr – das erfahren Sie im nächsten Beitrag.

*Dieser Beitrag wurde inspiriert durch den Film „Die Geschichte der Schönheit“ aus der ZDF-Reihe „Terra X“

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